Für den 23. Februar haben La6izi & Arab*Underground zum Tanz ins Mensch Meier[1] geladen. Eigentlich nichts Neues und für gewöhnlich sind Partys auch nicht Gegenstand unserer Kritik – die Frage, warum es hier aber um mehr geht als nur um nice Beats und Tanzen, lässt sich mit einem kurzen Blick ins Programm beantworten: Neben Sets diverser Künstler*innen, einer Ausstellung der Gruppe Syrian Intifada soll der Film „Palestine Underground | Hip Hop, Trap and Techno Documentary Featuring Sama’“[2] des britischen Musikprojekts Boiler Room gezeigt werden und damit ein Podium für die politische Praxis des (Kultur -) Boykotts gegen Israel geboten werden.
Stutzig gemacht haben uns zunächst zwei Dinge: Zum Ersten die Veranstalter*innen. Im letzten Jahr hatte die Gruppe Arab*Underground einen eigenen Space auf dem Fusion-Festival. Neben verschiedenen anderen Veranstaltungen geriet im Jahr 2018 dort vor allem eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Erasure of Narratives of Co-Resistance: The Cultural Boycott of Israel in Germany“ in den Fokus der Kritik[3]. Teil dieses Podiums, auf dem die Praxis der antisemitischen BDS-Bewegung vorgestellt wurde, waren auch Personen, die an der Party im Mensch Meier beteiligt sind. Der zweite Punkt, der uns stutzig gemacht hat, war ein kleiner Eintrag in der Veranstaltungsankündigung auf der Homepage vom Mensch Meier. Dort stand: Jazar Crew, Haifa (State of Palestine). Eine israelische Stadt einem nichtexistenten palästinensischen Staat zuzuordnen illustriert eindeutig eine Ablehnung der Existenz Israels. Inzwischen ist diese Info von der Veranstaltungsankündigung entfernt worden. Wir gehen davon aus, dass dies eine Reaktion auf eine kritische Nachfrage unsererseits ist, eine Antwort vom Mensch Meier blieb jedoch bisher aus.
In der Facebook-Veranstaltung ist der Film „Palestine Underground“ verlinkt. Der Film stellt die arabische Techno-Szene in Ramallah und Haifa vor und porträtiert die Beteiligten der ersten Boiler Room Party in Ramallah. Protagonist*innen des Films, Sama und die Jazar Crew, sind ebenso Gäste der Party im Mensch Meier. Eingeleitet wird der Film mit einer klaren Botschaft: „this documentary refers to the territory [gemeint ist Israel] as occupied palestine/ `48“. Damit wird schnell klar: Der jüdische Staat im Nahen Osten wird als fremd im arabischen Raum gezeichnet. Die Ablehnung der Existenz Israels wird sowohl von Seiten der Filmemacher*innen, als auch der Porträtierten unverschleiert kundgetan. Gestützt wird diese Haltung durch ein schon oft vorgebrachtes „antizionistisches“ Narrativ. Im Film heißt es: „Palestinians co-existed before Israel was created. Palestinian Jews, Palestinian Moslems, Palestinian Christians were all living together here and there was no seperation of religion. And then in 1948, Zionists created Israel and thats when there was no coexistance anymore“. Diese Vorstellung, vor 1948 hätten alle Menschen vor Ort friedlich zusammengelebt und einzig und allein die Gründung Israels hätte diesen seeligen Zustand beendet, eignet sich ausgezeichnet für „antizionistische“ Propaganda, hat aber mit den historischen Fakten wenig zu tun. Das Massaker von Hebron 1929, bei dem 67 jüdische Einwohner*innen der Stadt von Araber*innen ermordet wurden oder die Unterstützung des nationalsozialistischen Vernichtungsprogramms durch den politischen und geistigen Führer der Araber*innen in der Region, den Großmufti von Jerusalem, entlarven diese Vorstellung als das, was sie ist: Ein Märchen. Und auch den Krieg brachte nicht die Staatsgründung Israels, sondern die arabischen Staaten, die den nur wenige Stunden alten jüdischen Staat mit militärischer Gewalt vernichten wollten.
Auch das Kartenmaterial ist nur scheinbar seriös. In vier Karten soll illustriert werden, wie arabisches Land zunehmend besetzt wird. Das verwendete Material belegt aber höchstens eine sehr lasche Haltung zu historischen Fakten und einen überaus kreativen Umgang mit kartografischen Arbeitsweisen. Dieser alte Kartenspielertrick wurde bereits vielfach aufedeckt, von daher sparen wir uns die Mühe an dieser Stelle und verweisen auf ausführliche Darstellungen[4].
Die totale Ablehnung der Existenz Israels zeigt sich dabei nicht nur im Film, sondern auch in seiner Entstehungsgeschichte. So berichten etwa die Filmemacher*innen, dass sie extra Konten einrichteten, um den Mitwirkenden ihre Gagen nicht über israelische Banken überweisen zu müssen [5]. Diese der BDS-Bewegung entlehnte Praxis spiegelt sich auch bei der dort porträtierten und im Mensch Meier beteiligten Jazar-Crew, die nach eigener Aussage ihre Mitwirkung an die Bedingung knüpfte, dass Boiler-Room Tel Aviv aufgelöst wird[6]. Auch Sama, die ebenfalls im Film vorgestellt wird und im Mensch Meier auftreten soll, ist aktive Unterstützerin von BDS. In einem Interview sagt sie dazu: „BDS sind die Einzigen, die wahrlich danach streben die palästinensischen Interessen zu schützen. Ihre Arbeit ist wichtig für uns. Sie haben uns eine Stimme und Waffen für den geistigen Kampf gegeben“[7]. Die Existenz Israels und die Anwesenheit seiner jüdischen Bewohner*innen lehnt sie ab. „The Israeli narrative suggests their presence in Palestine thousands of years ago justifies their current occupation. In other words, they have constructed a false sense of legitimacy, built around a reconstructed, fantasized, and ancient past.“[8]
Zusammenfassend bleibt zu sagen: Sollte die Veranstaltung wie geplant durchgeführt werden, dann bietet das Mensch Meier seine Räumlichkeiten für eine nur mühsam als Antizionismus verklausulierte antisemitische Veranstaltung an, bei der nicht nur Israelfeinde hinter den Plattentellern stehen, sondern auch handfeste Propaganda verbreitet wird. Unsere bisherigen Bemühungen mit dem Mensch Meier in einen Austausch zu treten sind ohne Antwort geblieben. Es bleibt damit leider festzustellen, dass die Ignoranz gegenüber Antisemitismus innerhalb der sich als linkspolitisch-verstehenden Technoszene anhält. In der Konsequenz haben wir für uns entschieden eine Teilnahme mit einem Workshop bei der Veranstaltung Patriarchat Wegbassen im Mensch Meier abzusagen und fordern das Kollektiv jetzt öffentlich auf Stellung zu beziehen und sich zu äußern.
Gegen jeden Antisemitismus – auch in linken Räumen!
Theorie, Kritik & Aktion | Berlin [TKA]
[1] Siehe auf Facebook: facebook.com/events/781468665565596/
und leicht abgewandelt auf der Seite des Mensch Meiers: menschmeier.berlin/event/junoon0219.html
[2] https://www.youtube.com/watch?v=M-R8S7QwO1g
[3] Eine ausführlichere Darstellung der Veranstaltung findet sich bei den Genoss*innen von Konsens Nonsens: konsensnonsens.org/texte/boycott-divestment-sanction-bds-auf-der-fusion-2018/
[4] Nachzulesen etwa bei Alex Feuerherdt: lizaswelt.net/2015/10/01/antizionistischer-kartentrick/ oder MENA-Watch www.mena-watch.com/die-anti-israel-fraktion-und-ihr-verhaeltnis-zur-geschichtlichen-wahrheit/
[5] scenenoise.com/Interviews/the-filmmakers-behind-boiler-room-documentary-palestine-underground
[6] Inwieweit Boiler-Room dieser Aufforderung nachkommt ist leider nicht feststellbar. Allerdings sind seit erscheinen des Films keine Videos mehr von Boiler-Room Tel Aviv auf youtube erschienen.
[7] Im Original: „BDS sont les dernières personnes qui cherchent vraiment à protéger les intérêts palestiniens. Leur travail est important pour nous. Ils nous donnent une voix et des armes pour combattre intelligemment”.
[8] middle-east-online.com/en/music-scene-palestinian-territories-echoes-resistance-occupation