Auch in diesem Jahr findet wieder der größte antisemitische Aufmarsch Deutschlands, der Al Quds-Marsch, in Berlin statt.
Ein Grund am 11. Juli 2015 um 11:00 Uhr am Breitscheidplatz auf die Straße zu gehen!
Wir unterstützen den Aufruf des Antifaschistischen Berliner Bündnis gegen den Al Quds-Tag und geben ihn hier wieder:
“Wenn über tausend Antisemit*innen gemeinsam auf die Straße gehen, um gegen die Existenz des jüdischen Staates zu demonstrieren, dann sollte das eigentlich Grund genug sein, eine breite Gegenöffentlichkeit zu schaffen und ihnen nicht das Feld zu überlassen. Obwohl der jährliche Al Quds-Marsch die größte regelmäßig stattfindende antisemitische Veranstaltung in Berlin ist, ruft dies lediglich bei wenigen eine Bereitschaft zum Protest hervor. Was ist das für ein Tag, an dem auch in Berlin zur Vernichtung Israels aufgerufen wird?
Die Bedeutung des Al Quds-Tages
Der Al Quds-Tag (Quds = arabisch für Jerusalem) ist ein politischer Kampftag für die Eroberung Jerusalems und Vernichtung Israels, der 1979 von Ayatollah Khomeini, dem iranischen Revolutionsführer, eingeführt wurde. Er wird nicht nur als Tag des Widerstandes gegen den jüdischen Staat verstanden, sondern auch als „Kampftag für die Unterdrückten der Welt“. Mit der Forderung, dass „die Unterdrückten“ sich ausgerechnet gegen den jüdischen Staat zur Wehr setzen sollen, steht der Al Quds-Tag in einer antisemitischen Tradition: Die Idee einer „jüdischen Weltverschwörung“, die für alle Übel der Gegenwart verantwortlich sein soll, war bereits zentraler Bestandteil der antisemitischen nationalsozialistischen Propaganda. Für die Islamische Republik Iran ist Antisemitismus seit der Gründung im Jahr 1979 zentraler Bestandteil der Staatsideologie.
Antisemitismus als das verbindende Element
Charakteristisch für die antisemitische Ideologie ist es, sich selbst als Opfer „der Juden“ zu imaginieren. Bereits im Vorwort seines Hauptwerkes „Der islamische Staat“ verkündete Khomeini: „Die Juden waren es, die als erste mit der antiislamischen Propaganda und mit geistigen Verschwörungen begannen.“ Die Idee einer globalen jüdischen Verschwörung mobilisiert nun seit fast 20 Jahren alljährlich Islamist*innen nach Berlin, wo sie in Begleitung von Neonazis, Verschwörungsideolog*innen und israelhassenden Linken gemeinsam gegen den Staat Israel und für das islamistische Regime im Iran demonstrieren. Der Antisemitismus und die Frontstellung gegen die USA und Israel sind der stärkste Kitt dieser unterschiedlichen reaktionären Kräfte. Antiamerikanismus, eine pauschale Globalisierungsfeindschaft, eine ideologische Ausrichtung gegen Vorstellungen von liberaler Demokratie und moderner Gesellschaft eint islamistische, nationalistische und antiimperialistische Kräfte.
Auch bei fast allen Aufmärschen, die letztes Jahr anlässlich des Gaza-Krieges stattfanden, wurde Zionismus als weltumspannende, die Medien kontrollierende Macht imaginiert. Zu den gerufenen Parolen zählten in den vergangenen Jahren nicht nur „Kindermörder Israel“, „Frauenmörder Israel“ und „Zionisten sind Faschisten“. In Berlin skandierte eine Menge „Jude Jude feiges Schwein“, an anderen Orten „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“, „Tod den Juden, Adolf Hitler!“ sowie „Lügenpresse“. Dass „die Juden die Presse beherrschen“ sollen, ist ein alter antisemitischer Hut, der gerne immer wieder zum richtigen Zeitpunkt ausgepackt wird. Ebenso bedienen sich diese Parolen alter, antijüdischer Bilder. Deutlich werden hier auch die antisemitischen Traditionen und wie Antisemitismus über vermeintliche Israelkritik auf fruchtbaren Boden stößt. Dass eliminatorischer Antisemitismus immernoch allgegenwärtig ist zeigen die restlichen Parolen sowie der Prediger Abu Bilal Ismail, der in der Berliner Al-Nur Moschee forderte „Oh Allah, zerstöre die zionistischen Juden, zähle und töte sie alle.“ Die Wuppertaler Synagoge wurde mit Molotow-Cocktails angegriffen. Die Vorfälle blieben weitgehend ohne ernsthafte Konsequenzen. Bei dem Anschlag auf die Synagoge sah das Gericht keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat und wertete ihn damit quasi als eine Form der „Israelkritik“. Die antisemitischen islamistischen Mordanschläge in Europa, wie die in Paris und Kopenhagen, erregten bei der deutschen Linken kaum Empörung.
70 Jahre nach der militärischen Zerschlagung Nazi-Deutschlands und der Beendigung seines antisemitischen Vernichtungsprojekts gilt es, denjenigen klar zu widersprechen, die Antisemitismus als ein importiertes Problem begreifen. Nicht nur Studien zeigen, dass ein relevanter Teil der deutschen Bevölkerung bis heute antisemitisch denkt. Fast wöchentlich werden jüdische Friedhöfe beschädigt, jüdische Einrichtung müssen weiterhin bewacht werden und viele Jüdinnen*Juden fühlen sich nicht mehr sicher. Der deutsche Antisemitismus hat Tradition, und tritt regelmäßig klar zu Tage. Er kann derzeit jedoch nicht so offen ausgetragen werden, wie im Holocaust-Leugner-Regime Iran.
Der Iran und seine Hegemonialpolitik
Der Al Quds-Tag ist vor allem ein Kampftag des iranischen Regimes. Zu dessen Opfern gehörten zuerst die Menschen im Iran: Zehntausende Oppositionelle, die seit 1979 hingerichtet wurden, ebenso wie LGBTIQ* oder Menschen, die sich vom Islam abwenden. Die Unterdrückung von Frauen und die Verfolgung religiöser Minderheiten wie der Bahai, sind weitere Kapitel der traurigen Historie der Islamischen Republik. Schließlich endet das verheerende Werk der Mullahs nicht an den Landesgrenzen: neben der Destabilisierung des Irak, die maßgeblich zur Entstehung des Islamischen Staates beitrug, unterstützt das Mullahregime den syrischen Diktator Bashar al Assad bei seinem Krieg gegen die eigene Bevölkerung nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Einheiten der islamischen Revolutionsgarden. Während die Hisbollah im Libanon seit ihrer Gründung 1982 aus dem Iran finanzielle, politische, militärische und ideologische Unterstützung erhält, unterstützt das Mullah-Regime aber auch die sunnitische Hamas und brüstet sich seit Neuestem damit, mit Sanaa im Jemen (wo der Iran schiitisch-islamistische Rebellen mit Waffen versorgte) eine vierte Hauptstadt in der arabischen Welt unter Kontrolle zu haben. Kassem Soleimani, Kommandeur der Eliteeinheit der „Quds“-Brigaden, kündigte an, als nächstes Jordanien kontrollieren zu wollen.
Das Atomprogramm und die Handelsbeziehungen
Gleichzeitig treibt das iranische Regime seine atomare Bewaffnung voran. Dies bringt nicht nur den jüdischen Staat in höchste Gefahr. Ein islamistisches Regime mit Atomwaffen ist die drängendste antisemitische Bedrohung der Gegenwart und nicht nur für die gesamte Region von existenzieller Bedeutung. Dennoch nimmt der Druck auf das iranische Regime in den Verhandlungen über sein Atomprogramm ab.
Die Sanktionen sind bereits Ende 2013 abgeschwächt worden, und in den derzeitigen Verhandlungen der P5+1 mit dem iranischen Regime, die am 30. Juni in einem Abkommen münden sollen, werden dem Regime Zugeständnisse gemacht, die die atomare Infrastruktur des Regimes intakt lassen und den Weg zur Atombombe ebnen. Dennoch ist fraglich, ob es ein Abkommen geben wird, da das iranische Regime bisher zu keinen substanziellen Zugeständnissen bereit ist.
Diese Entwicklung findet statt, während unter der Präsidentschaft Hassan Rohanis die Hinrichtungszahlen stark angestiegen sind. Statistisch gesehen wird alle sechs Stunden ein Mensch von Rohanis Regime ermordet.
Deutschland zählt weiterhin zu den wichtigsten Handelspartnern des antisemitischen Regimes. Deutsche Unternehmen bereiten sich auf das Ende der Sanktionen und auf einen Ausbau der Geschäfte vor – darunter einige Firmen wie Siemens und ThyssenKrupp, die als Stützen des nationalsozialistischen Regimes an der Plünderung Europas und Zwangsarbeit profitiert haben. Lobbyorganisationen werben seit Monaten für den Wiedereintritt in den „interessanten“ Markt, der Millionen an Profit verspricht. Die Außenhandelskammer in Teheran wird dabei tatkräftig von der Bundesregierung unterstützt.
Zeit, aktiv zu werden
Es gilt, nicht aus einem falsch verstandenen Antirassismus heraus zu den Unzumutbarkeiten der Islamischen Republik zu schweigen. Dementsprechend wird es auch dieses Jahr am Al Quds-Tag darum gehen, kompromisslos klarzumachen, dass Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit, Sexismus und andere faschistoide Zumutungen auch dann nichts auf Berliner Straßen verloren haben, wenn sie sich unter dem Banner des politischen Islam zu organisieren suchen.
Stattdessen wird es unser Anliegen sein, unmissverständlich unsere Solidarität mit dem jüdischen Staat kundzutun und den Vernichtungsdrohungen der islamischen Republik und ihrer Unterstützer*innen in Berlin entgegenzutreten. Unsere Solidarität gilt den säkularen und demokratischen Kräften, die im Iran für den Sturz des Regimes kämpfen. Und ebenso all jenen, die in der arabischen Welt, im Iran und anderswo für die Freiheit kämpfen, für die es indiskutabel ist, sich dem Terror des politischen Islams zu unterstellen und für die noch immer das Ziel lautet, in einer Gesellschaft zu leben, in der die individuelle freie Entwicklung die unhintergehbare Voraussetzung für die Entwicklung aller ist.
In diesem Sinne:
Solidarität mit den von Antisemitismus, LGBTIQ*-Feindlichkeit und Patriarchat Betroffenen!
Solidarität mit den emanzipatorischen Kräften im Iran!
Solidarität mit Israel!
Nieder mit dem Al Quds-Tag!
Nieder mit dem Holocaust-Leugner-Regime im Iran!”
Auch eine Broschüre mit ausführlichen Informationen hat das Bündnis erarbeitet. Dieses findet Ihr hier.